Gerd Büntzly saß in der Nacht vom 17. auf 18. Juli 2017 auf dem Atomwaffen-Bunker in Büchel und musste 2019 dafür ins Gefängnis.

Rede zum Abschluss der Friedens-Fahrradtour, Bielefeld, 10.08.2019

Mein Name ist Gerd Büntzly, ich bin Ende Juni dieses Jahres zum dritten Mal im Gefängnis gewesen. Der Grund: Im Sommer 2017 habe ich zusammen mit vier Personen aus den USA das Militärgelände in Büchel betreten. Wir haben zu diesem Zweck mehrere Zäune durchschnitten. Dadurch wollten wir aktiven Widerstand gegen die Atomwaffen leisten, die dort lagern, und dagegen, dass deutsche Soldaten täglich das Abwerfen dieser Waffen mit ihren Tornadoflugzeugen üben. Sie verletzen damit eklatant den Atomwaffensperrvertrag. Wir fordern den sofortigen Abzug der Atomwaffen, und wir sind bereit, dafür mit unserer Person einzustehen. Ende April dieses Jahres war ich zusammen mit sechzehn anderen Personen noch einmal auf dem Gelände, und auch in diesem Sommer wie im letzten haben internationale Gruppen wiederholt den inzwischen doppelten Zaun zerstört. Die strafrechtlichen Konsequenzen daraus stehen noch aus.

Vor vielen Jahren schon habe ich den Aufsatz von Henry David Thoreau gelesen: „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat.“ Dieser Aufsatz hat, wie ihr vielleicht wisst, Gandhi inspiriert und ihm einen Ansatz für seine Kampagnen gegen die englische Kolonialherrschaft gegeben. Thoreau, der Mitte des 19. Jahrhunderts den Krieg der USA gegen Mexiko ablehnte und ein leidenschaftlicher Gegner der Sklaverei war, weigerte sich, die Steuer zu zahlen, zu der er verpflichtet war. Nach einiger Zeit wurde er daher vom Sheriff seines Dorfes für eine Nacht ins Gefängnis gesperrt. Diese Nacht, die er übrigens sehr humorvoll beschreibt, änderte für ihn vieles. Ihm ging auf, dass das Übel, das die Herrschenden anrichten, nur deshalb Bestand haben kann, weil die Gegner des Unrechts nicht bereit sind, persönliche Konsequenzen und Unbequemlichkeiten auf sich zu nehmen. Petitionen, Eingaben, Briefe – all das gab es auch schon damals, aber es war ebenso wirkungslos wie heute. Indem ich ins Gefängnis gehe, folge ich meinem Gewissen, aber tue auch etwas für die Reinigung des gesellschaftlichen Klimas. Die einen bezeichnen mich als Gesetzesbrecher, gar als Kriminellen, die anderen sind tief berührt. Bisher habe ich eigentlich nur große Unterstützung und Verständnis erfahren, beispielsweise auch bei den lokalen Zeitungen. Aber selbst wenn das nicht so wäre, würde ich auf diesem Weg weitergehen.

Es ist vielleicht kein Zufall, dass ich erst in höherem Alter bereit bin, ins Gefängnis zu gehen: Die Freunde aus den USA und auch die Mitglieder der Gruppe Büchel 17, mit denen ich im April auf dem Gelände war, sind alle schon in fortgeschrittenen Jahren. Allerdings bin ich auch seit langer Zeit auf diesen Weg vorbereitet: In den 80-er Jahren habe ich die sogenannten Totalverweigerer unterstützt, die nicht nur den Wehrdienst, sondern auch den Zivildienst ablehnten, und von denen viele für ein halbes Jahr ins Gefängnis gingen; und mit der Musikgruppe Lebenslaute verbinde ich seit vielen Jahren klassische Musik und Zivilen Ungehorsam.

Wir verwirren mit dem, was wir tun, die Polizei und die Soldaten vollständig, ebenso wie die Richter und Staatsanwälte. Die Logik der Gewaltfreiheit ist eben eine andere als die Logik der Gewalt. Wir kommen inzwischen am hellen Tag und zerschneiden ihre Zäune. In Büchel im April konnten die Soldaten, in deren Anwesenheit wir dem Zaun zu Leibe rückten, nicht an uns herankommen, denn sie waren von uns durch eine Rolle Stacheldraht und einen zweiten Zaun getrennt, die erst wir durchgeschnitten haben. Wir ließen uns durch ihr Geschrei und ihre „Belehrungen“ nicht von unserem Tun abbringen. Sie können gerne unsere Namen haben, denn wir wollen mit unseren Namen einstehen für das, was wir tun. Ihre Maßnahmen, uns zu fotografieren, unsere Identität festzustellen, erweisen sich als lächerlich. Sie dürfen alle unsere Fotos beschlagnahmen: die haben wir vorher dank der modernen Technologien doch schon selbst veröffentlicht. Unsere Gewaltfreiheit verwirrt in einer Situation, in der Gewalt als die einzig sinnvolle Option angesehen wird. Ein Einsatzleiter der Polizei z. B. regte sich über uns auf und meinte, wir wollten ja nur Aufmerksamkeit bei den Medien erzielen, so, als ginge es uns nur darum, unsere eigene Person in den Vordergrund zu stellen. Na ja, was wir tun, kann eigentlich gar nicht verborgen bleiben, und natürlich tun wir alles, um den Skandal der Atomwaffen öffentlich zu machen. Aber gleichzeitig entlarven wir die Heimlichtuerei der Gegenseite, die alle wichtigen Dinge zum Staatsgeheimnis erklären will. Vor Gericht habe ich dann gesagt: „Ich bin hier nicht, weil Sie das so wollen, sondern weil ich das so will.“ Unsere Verteidigung ist eine Anklage. Wir werfen der Staatsanwaltschaft vor, dass sie uns und nicht die völkerrechtswidrige Lagerung der Atomwaffen anklagt.

Wir entlarven auch eine Justiz, die Sätze absondert wie: „Das an sich begrüßenswerte Anliegen des Angeklagten stellt keine Rechtfertigung dar, Straftaten zu begehen.“ Dabei ist es die Aufgabe der Justiz, abzuwägen zwischen den ungeheuren, unbegrenzten Schäden, die der Abwurf einer Atomwaffe anrichtet, und den genau überlegten, minimalen Verletzungen des Rechtes, mit der wir auf die Verbrechen der Vorhaltung dieser Waffen aufmerksam machen wollen. Trotzdem betrachte ich mich nicht etwa als einen Märtyrer. Wenn ich im Gefängnis bin, bin ich mit mir im Reinen. Ich klage auch nicht den Staat an, dass er mich bestraft, nein: ich sehe meine Auseinandersetzung mit dem Staat als die Auseinandersetzung der Gewalt mit der Gewaltlosigkeit. Nachdem ich festgestellt habe, dass meine Methode wirksam ist, kann ich gar nicht mehr dahinter zurück und sage: Ein Staat, der Atomwaffen auf seinem Gebiet duldet, ja, ein Staat, der überhaupt Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung zulässt, wird mich immer wieder ins Gefängnis sperren müssen. Nachdem ich einmal die Angst vor den staatlichen Repressionen verloren habe, ist meine innere Freiheit grenzenlos.


Ich habe im Gefängnis und auch bei der Vorbereitung meiner Prozesse viel Solidarität erfahren und bedanke mich ganz herzlich dafür. Wer mir Postkarten schreibt, soll wissen, dass diese mehr an die Knastverwaltung gerichtet sind als an mich: Man merkt so im Knast, dass es Aufmerksamkeit für die Sache des Friedens und des Zivilen Ungehorsams gibt. Kathrin Vogler, Bundestagsabgeordnete der Linken, hat mich im Gefängnis besucht – sie hat damit ein Recht genutzt, das sie als Abgeordnete hatte, und auch dafür bedanke ich mich ganz herzlich.

Vor kurzem kam mir eine Zeitung in die Hände „Unsere Senne soll frei werden.“ Da fahre ich weit, um mich gegens Militär zu engagieren, und es blüht vor meiner Haustür! Die Zeitschrift enthält u. a. ein Szenario der Evangelischen Landeskirche Baden für eine zivile Sicherheitspolitik. Der erste von 5 Pfeilern einer solchen Politik lautet: „Gerechte Außenbeziehungen.“ Damit sprechen sie mir aus dem Herzen. Denn unsere Außenbeziehungen sind nicht gerecht, das müssen wir den Menschen deutlich sagen. Unsere Wirtschaft ist aggressiv, nur deshalb braucht sie das Militär. Es muss Schluss sein mit den Feindbildern, jawohl; aber ebenso muss endlich Schluss sein mit der Selbstbeweihräucherung für unsere Entwicklungspolitik, für das, was sie die „deutschen Interessen“ nennen. Diese „Interessen“ sind in Wirklichkeit Verbrechen. Es gibt in der Zeitschrift auch einige gute Hinweise zum Thema Widerstand, u. a. mit dem Satz: „Einmaliger ziviler Ungehorsam von geringer Dauer und wenigen Personen führt normalerweise nicht zum Erfolg.“ Vielleicht können wir das ja ändern? Vielleicht können wir gemeinsam Trainings in gewaltfreiem Zivilen Ungehorsam machen und auch hier in der Senne die Militärs verwirren.

Ich appelliere an euch alle: Verliert eure Angst vor der Repression des Staates! Widersteht gewaltfrei und fröhlich wie die vielen Menschen, die jetzt die Braunkohle-Tagebaue besetzen, die Schülerinnen und Schüler, die für das Klima auf die Straße gehen und die Schulen bestreiken. Und wer sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu einer Aktion des Zivilen Ungehorsams in der Lage sieht, kann diesen mit Geld unterstützen. Auch das ist in reichlichem Maße geschehen, und ich habe Grund, mich dafür zu bedanken.

Frieden für alle, Hass für keinen! Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit.


Januar 2019: Vor dem Prozess an Landgericht Koblenz: (von links) Marion Küpker (»Gewaltfreie Aktion Atomwaffen abschaffen«), Übersetzerin Allison Powell, der Herforder Aktivist Gerd Büntzly sowie die an der Protestaktion beteiligten Susan Crane und John LaForge.

2019: Gerd Büntzly geht für Aktion gegen Atomwaffen in den Knast.

Gerd Büntzly aus Herford tritt am Montag, den 24.6.2019, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede an.
Er hat sich am 18.07.2017 zusammen mit vier AktivistInnen aus den USA Zutritt auf das Militärgelände bei Büchel verschafft. Diese Go-In-Aktion fand in der Internationalen Woche statt, die von der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen organisiert wurde. Die Internationale Woche war Bestandteil der zwanzigwöchigen Aktionspräsenz vom 26.3. bis 9.8.2017, die von der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt" veranstaltet wurde. Wegen seiner Teilnahme an der gewaltfreien Aktion ist Gerd im Amtsgericht Cochem zunächst zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung verurteilt worden. Er hat dagegen Berufung eingelegt; daraufhin hat das Landgericht Koblenz die Strafe auf 25 Tagessätze heruntergesetzt. Dagegen hat er Revision eingelegt. Diese ist vom Oberlandesgericht Koblenz abgewiesen worden, so dass die Strafe von 25 mal 30 Euro rechtskräftig geworden ist und nun vollstreckt wird.
Von der 25-Tagessätze-Geldstrafe will Gerd 10 Tagessätze durch eine Mahnwache im Knast tilgen, denn er sagt "... wenn ich ins Gefängnis gehe, kann ich viel besser auf die drohende Gefahr eines Atomkrieges aufmerksam machen". Es wird seine dritte kurze Haft wegen Zivilen Ungehorsams gegen staatliches Unrecht werden. Wer ihm Postkarten oder Briefe in den Knast schicken will, sende diese bitte zwischen dem 24. und 30.6.2019 ab in die JVA Bielefeld-Brackwede, Umlostr. 100, 33649 Bielefeld. Es wird das 13. Mal sein, dass jemand wegen einer gewaltfreien Aktion in Büchel in ein Gefängnis gesperrt wird.
Um die verbleibende Reststrafe von 15 Tagessätzen (15 x 30 = 450 Euro) zu tilgen, fehlt Gerd noch Geld. Spendenkonto: Empfängerin: Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA), IBAN: DE57 4306 0967 8019 1512 00, Verwendungszweck: Freikauf/Rechtsfolgen


In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2017 unternahmen vier US-AktivistInnen und Gerd Büntzly aus Herford in der Nähe des Haupttors ein Go-In, wobei sie vier Mal Zäune aufschnitten. Damit ist es erstmals FriedensaktivistInnen gelungen, in den inneren Sicherheitsbereich des Fliegerhorsts einzudringen. Sie verbrachten mehr als eine Stunde unentdeckt auf dem mit Erde bedeckten Dach eines Bunkers. Ein mitgeführter Geigerzähler schlug nicht aus. Die Gruppe wurde erst entdeckt, als zwei von dem Dach herunterstiegen, um das Wort "Disarm!" in die Bunkertür zu ritzen, wodurch ein Alarm ausgelöst wurde. Die fünf wurden von Bundeswehrsoldaten in Gewahrsam genommen, durchsucht und fotografiert, auch ein amerikanischer Soldat tauchte auf. Nach etwa einer weiteren Stunde wurden die fünf durch das Haupttor nach draußen geleitet, wo sie von der Polizei in Empfang genommen wurden, Platzverweise erhielten und entlassen wurden. Vorher hatte ihnen noch der Chef der Fliegerhorstgruppe gesagt, ihre Aktion sei sehr gefährlich gewesen, denn sie hätten dabei erschossen werden können.
Wegen dieser Aktion, die ein relativ großes Presseecho und eine Diskussion um die "Sicherheit" des Fliegerhorsts auslöste, gab es am 17.1.2018 im Amtsgericht Cochem eine Verhandlung.  Angeklagt war allerdings nur Gerd Büntzly, nicht jedoch die vier anderen TeilnehmerInnen, die alle in den USA leben.
Gerd war wegen Sachbeschädigung (Zerschneiden des Militärzauns) und wegen Hausfriedensbruchs angeklagt. Er erschien ohne Verteidiger im Gericht. Seine drei Beweisanträge wurden allesamt abgewiesen. Der Staatsanwalt beantragte in seinem Plädoyer eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen; der Amtsrichter verurteilte Gerd schließlich zu 40 Tagessätzen.


Nach dem Ende der Verhandlung fragte ein Prozessbeobachter den Staatsanwalt, ob auch die amerikanischen TeilnehmerInnen an der Aktion strafverfolgt würden. Der Staatsanwalt sagte, grundsätzlich ja, aber es könne freilich schwierig sein, die Adressen der US-BürgerInnen ausfindig zu machen; Genaueres könne er nicht sagen, weil er mit deren Fällen nicht betraut sei.
Es war das 24. Mal (seit 1998), dass eine oder mehrere Personen wegen Teilnahme an einer Aktion der "Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen" oder der "atomwaffenfrei"-Kampagnen aus Protest gegen die Atombomben in Büchel auf der Anklagebank des Cochemer Gerichts Platz nehmen durften. Wegen der "Tat"-Vorwürfe Hausfriedensbruch und/oder Sachbeschädigung ist dort noch niemand freigesprochen worden.

Im Gefängnis waren bis zu diesem Zeitpunkt zehn Mal AktivistInnen wegen ihrer Teilnahme an Aktionen des Zivilen Ungehorsams in oder wegen Büchel gewesen. Für den Fall, dass seine Verurteilung rechtskräftig werden sollte, hat Gerd Büntzly angekündigt, dass auch er sich demonstrativ in ein Gefängnis sperren lassen würde, statt die Geldstrafe zu bezahlen.

Am 23.1.2018 meldete die Rhein-Zeitung, dass dies Staatsanwaltschaft Koblenz die Ermittlungsverfahren gegen die vier US-AktivistInnen eingestellt habe: "wegen geringer Schuld und fehlenden öffentlichen Interesses". Gerd Büntzly legte gegen seine Verurteilung im Amtsgericht Berufung ein, so dass es am 16.1.2019 zur Berufungsverhandlung im Landgericht Koblenz kam. Dort hatte er diesmal einen Anwalt als Verteidiger dabei, der auf Freispruch auf Grund des § 34 StGB ("Rechtfertigender Notstand") plädierte. Die Vertreterin der Anklage beantragte, die Berufung zurückzuweisen. In seinem Urteil bestätigte das Landgericht die Verurteilung zu einer Geldstrafe durch die Cochemer Vorinstanz, setzte das Strafmaß aber von 40 auf 25 Tagessätze herunter.

Dagegen legte Gerd Büntzly Revision ein. Im April 2019 wurde sein Revisionsantrag vom Oberlandesgericht Koblenz abgewiesen. Damit ist seine 25-Tagessätze-Geldstrafe rechtskräftig geworden.

AACHENER FRIEDENSPREIS 2019 ehrt auch Gerd Büntzlys Friedenseinsatz:

Declarations / Erklärungen, im Prozess 2019 gegen Gerd Büntzly:

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Francis A. Boyle Declaration in German
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Francis A. Boyle Declaration in English
BOYLE SUPPLEMENTAL DECLARATION-deutsch.p
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Otfried Nassauer about NPT
NASSAUER on Legality of SHARING - deutsc
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Declaration Erklärung von Anabel L. Dwyer
Dwyer Declaration for Buntzly deutsch.pd
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