Autorin: Marion Küpker, FriedenForum 3/2018

Zusammenhang: Patriarchat – Militarismus – Sexismus Atomwaffen – Gender – Suchtgesellschaft

 

Zusammenfassung: Durch die Gender-Debatte hat sich nichts Grundsätzliches geändert, weder gesamtgesellschaftlich noch in der Friedensbewegung. Der Grund: Bis heute wurde nicht aufgearbeitet, dass wir in einer schwerst traumatisierten und sexualisierten Suchtgesellschaft leben. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der heutigen Situation und der Nachkriegs-Frauen-Widerstandsgeschichte. Außerdem besteht ein Zusammenhang mit dem patriarchalen Rückschlag (back lash), den wir in den letzten 20 Jahre erfahren haben. Es gibt jedoch Alternativen: zum Beispiel das Schwedische Modell. Außerdem gibt es die Lösungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Trauma-Therapie. Der Kampf gegen Militarismus und Patriarchat gehören dabei für mich immer zusammen.

Frauen/Lesben gegen Militarismus und Patriarchat

Der „Kampf gegen den Atomtod“ der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts richtete sich vor allem gegen die 7.000 Atomwaffen, die damals – verteilt auf etwa 100 Militärbasen – in Deutschland stationiert waren. Davon sind heute noch jene 20 Atombomben übrig, die in Büchel stationiert sind. Uns wurde in den 80er-Jahren klar, dass die nukleare Abschreckung zwischen den USA und der UdSSR wie ein Damokles-Schwert über der Welt und allem Leben hängt. Wir erkannten die Gefahr der sofortigen Vernichtung, die Gefahr eines nuklearen Harmagedon. Gegen diesen Wahnsinn gingen damals Hunderttausende auf die Straße, blockierten Atomwaffen-Stützpunkte und verhinderten Militär-Manöver. Das Ziel war, den NATO-Doppelbeschluss von 1979 zu stoppen und die nukleare Abrüstung durchzusetzen.

 

Neu an dieser Bewegung war die getrenntgeschlechtliche Organisierung von Frauen: Im Jahr 1979 fand der erste Frauenkongress gegen Atom und Militär statt. Etwa 800 Feministinnen waren in Köln zusammengekommen. Kollektiv eigneten wir uns Wissen über die Nukleartechnologie an. In England umzingelten im Jahr 1982 etwa 35.000 Frauen die Militärbasis Greenham Common. Dort waren 96 Cruise Missiles (nukleare Marschflugkörper) stationiert. Erstmalig kämpften in den Jahren 1983 bis 1985 tausende von Frauen und Lesben in Deutschland gegen Krieg und Männergewalt. Im Hunsrück gab es Frauen-Widerstandscamps gegen die dort stationierten 96 Cruise Missiles. Es wurde erkannt, dass der Kampf gegen Militarismus untrennbar mit dem Kampf gegen Patriarchat und Sexismus verbunden ist. Wir wehrten uns gegen den Herrschaftsapparat, der unsere Versklavung zementierte: Frauen wurden zum Kinderkriegen gezwungen (§ 218), Beischlaf war in der Ehe - für die Frau - verpflichtend, sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz waren normal, Pornografie war normal, Hotelzimmer gab es nur mit Heiratsnachweis und vieles andere. Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen sollen, wie unvorstellbar die Verhältnisse vor gerade mal 40 Jahren waren. Für uns Frauen galt – und gilt noch heute – der Slogan: Das Private ist politisch!

 

Viele Frauen/Lesben zählten sich in den 80er Jahren zur Frauenbewegung, aber auch zur Autonomen-Bewegung und/oder zu den „Anti-Imps“. Oft distanzierten sie sich von den hierarchisch organisierten kommunistischen Bewegungen oder Parteien. Sie initiierten Frauen-/Lesbenselbsthilfe, Selbstverteidigungs- und Kampfsportgruppen, Frauen-/Lesbenwohnraum in besetzten Häusern, eigene Frei-und Schutzräume, zum Beispiel Frauenhäuser, Beratungsstellen bei sexuellem (Kinder-) Missbrauch und Vergewaltigungen, Heilpraktikerinnen-Berufe, Notruftelefone und vieles mehr.

 

Frauen/Lesben solidarisierten sich auch international. Gemeinsam kämpfte man mit Frauen/Lesben aus anti-kolonialen Befreiungsbewegungen für bessere Arbeitsbedingungen. Die traditionellen anti-kolonialen Befreiungsbewegungen wurden dafür kritisiert, dass sie die Frauen – nachdem das jeweilige Land die „Unabhängigkeit“ von der Kolonialmacht erreicht hatte – wieder zurück ins Haus schickten. International kämpften Frauen/Lesben gegen die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Liebe. Und sie solidarisierten sich mit Frauen innerhalb der linken Bewegungen, wenn es zu sexistischen Übergriffen und Anmachen kam.

 

Innerhalb der gemischtgeschlechtlichen Bewegung wurde verstärkt über Positionen der Frauenbewegung diskutiert. Der sexistische Umgang bei der Arbeitsverteilung und der eigenen Gesprächskultur wurde sehr langsam, mit kleinen Schritten verändert, siehe die Artikel im FriedensForum 2/2018. Durch die neue Methode der „gewaltfreien Kommunikation“ wurde das männliche Monologisieren eingeschränkt und Frauen mehr Redezeit zugestanden. Aber diese Veränderungen geschahen nur sehr langsam und oft nur an der Oberfläche.

 

Ein wichtiger, bisher vergessener Punkt ist die Auseinandersetzung Anfang der 90er Jahre, bei der es zur Offenlegung von sexuellem Missbrauch an Kindern innerhalb der linken Bewegung kam. Kinder wurden zum Beispiel in teilweise selbstorganisierten Kinderläden missbraucht. Feministische Beratungsstellen klärten außerdem auf, dass sexueller Missbrauch und Vergewaltigungen zu über 96 % durch Verwandte oder Bekannte stattfinden, nicht durch „böse Unbekannte“. (Im Internet veröffentlichte Statistiken sprechen heute von circa 75-85 %.). Aufgrund von Erhebungen schätzte die damalige CDU Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth (1985-1988) bis zu 300.000 sexuell missbrauchte Kinder jährlich in Westdeutschland, wobei die durchschnittliche Missbrauchserfahrung der Kinder bei sieben Jahre lag. Weiter gab es eine Erhebung, dass durchschnittlich alle sieben Minuten in Westdeutschland eine Frau vergewaltigt wurde.

 

Die Auseinandersetzung um sexuellen Missbrauch an Kindern brachte zutage, dass auch homosexuelle, linke Buchläden pädophile Bücher und Pornobände von Jugendlichen verbreit(et?)en. Es wurde die Auseinandersetzung über die „Freiwilligkeit“ von Prostitution geführt. Befragungen unter Prostituierten ergaben, dass über 60 % (bzw. mehr als 80 %) von ihnen sexuellen Missbrauch in der Kindheit erfahren hatten, sodass wir hier von vielen traumatisierten Menschen ausgehen müssen. Das so genannte Stockholm-Syndrom könnte erklären, warum einige Frauen ihre Prostitutionsarbeit als „freiwillig“ verteidigen.

 

Die linke Bewegung diskutierte endlich das Private politisch. Diskutiert wurde über Akzeptanz von Sado-Masochismus, Swinger Clubs, Sexorgien in linken Räumen/Projekten, Dark Rooms und vieles andere. Man wollte aber andererseits auch wissen, wie eine gesunde, lustvolle Sexualität aussieht und aussehen könnte. Wo fängt es an, dass Menschen sich und andere zu Sexobjekten machen?! Wann und wie müssen oder sollten wir uns davon distanzieren?! Dies sind sensible Fragen, bei denen es um uns ging, und nicht um den unbekannten, fremden, auszugrenzenden Sexisten.

 

Leider eskalierte diese Auseinandersetzung. Einige Frauen-/Lesben-Gruppen forderten den Ausschluss aller vom Sexismus überführten Personen und Gruppen. Sie beriefen sich auf ihr erkämpftes Definitionsrecht und darauf, dass sie über den weiteren Umgang, d.h. den Verbleib oder Ausschluss der TäterInnen (einschließlich des sie schützenden Umfeldes) entscheiden können. Dieses Ausschlussverfahren wurde aggressiv - teilweise mit Gewalt – gefordert und oft auch durchgesetzt. Dieses aggressive Vorgehen hatte wiederum zur Folge, dass jene Frauen/Lesben, die so überzogen agierten, ihrerseits kritisiert wurden: Sie sollten doch auch die eigenen Verletzungen/Traumatisierungen aufarbeiten! Diese Kritik wurde wiederum als „psychologisierend“ zurückgewiesen. Während einige Frauen eine genderübergreifende, pazifistische Konfliktlösung wollten, verstand ein beträchtlicher Teil der Frauenbewegung das Frausein als das „biologisch bessere Geschlecht“, woraus eine dem Manne übergeordnete Frauenrolle abgeleitet wurde. Falls ein Mann fälschlicherweise des Sexismus überführt wurde, so müsse auch da sein Ausschluss aus der linken Bewegung unhinterfragt hingenommen werden (Kollateralschaden), da Frauen bereits Jahrtausende unterm Patriarchat zu leiden haben, so wurde argumentiert.

 

Dieser Konflikt war groß. Die Spaltung zog sich durch die gesamte linke Bewegung, durch alle Gruppen und viele Freundschaften, und war ein entscheidender Grund für den Auflösungsprozess vieler Frauengruppen.

 

Einige Frauen/Lesben konnten nicht auf ihr individuelles Definitions-Vorrecht zu Sexismus verzichten, obwohl wir uns darin selbst als Frauen widersprachen. Diese Zersetzung führte dazu, dass Sexismus wieder zum Tabuthema wurde. Das alleinige individuelle Definitionsrecht der Frau gab es damit in der linken Bewegung nicht mehr.

 

Traumatherapien

Andere hingegen erkannten, dass die eigenen Kindheits-Traumata auch mit den Kriegstraumata der eigenen Eltern und Großeltern zu tun haben. In den 80er-Jahren revolutionierte Alice Miller die Psychotherapie-Lehrmeinung mit ihren Büchern Am Anfang war Erziehung und Du sollst nicht merken. In diesem letztgenannten Buch geht es um den sexuellen Missbrauch von Kindern. Die vorhandenen Therapieformen erwiesen sich für die Auflösung von Traumata als ungeeignet. Dabei ist es bei psychischen Behandlungen unbedingt nötig, zuerst an der Auflösung der Traumata zu arbeiten.

 

Energetische Traumatherapien, wie EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), die eigentlich zur Behandlung von Vergewaltigungs-Traumata angewandt wurden, wurden in den USA später auch zur Behandlung der Golfkriegs-Veteranen, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen litten, eingesetzt.

 

Auch die Weiterentwicklung der Traditionellen Chinesischen Medizin (TMC) führte zu guten Ergebnissen. Trauma-Blockaden im energetischen Meridiansystem konnten Mithilfe der Akupunkturpunkte aufgelöst werden. Diese Methoden kamen aber erst ab den 2000er-Jahren zu uns nach Deutschland: EFT (Energy Field Therapy), EDxTM (Energy Diagnosis x Therapy Method) und andere. Weitere gute Techniken, die uns helfen können, uns mit unseren Emotionen wieder spüren sind beispielsweise Yoga, Meditation, Atem-und Achtsamkeitsübungen. Sie helfen uns unter anderem auch, wieder neu Grenzen zu setzen. Heute werden solche Techniken gerne an traumatisierte Geflüchtete vermittelt. Aber selten wird erkannt, dass wir auch selbst betroffen sind und in einer schwersttraumatisierten Suchtgesellschaft leben! Es ist unsere Aufgabe, die hinter den Süchten liegenden Traumatisierungen aufzulösen. Es ist unsere Aufgabe, uns selbst und anderen Vergeben zu lernen und auf diese Weise aus dem Kreislauf der Autoagression und Rache auszusteigen!

Zu den heute verbreiteten Süchten gehört auch die Sexsucht, die im ICD10, dem Diagnosebuch für psychische Erkrankungen, fehlt beziehungsweise hinter dem Begriff nichtstoffgebundene Süchte versteckt wird. Laut Online-Analyse von Similarweb aus dem Jahr 2013 sind 12,5 % aller Webseitenaufrufe in Deutschland Zugriffe auf pornografische Seiten. Nach dieser Online-Analyse steht Deutschland hierbei weltweit an erster Stelle.

Kriegstraumata
Einzelheiten, wie tief Menschen im Ersten und Zweiten Weltkrieg patriarchal traumatisiert wurden, kommen noch heute ans Tageslicht. Männer, die zur Unterdrückung ihrer Emotionen erzogen wurden – boys don't cry – brauchen ein Ventil, wenn sie unter enormen Stress stehen, zum Beispiel in Kriegseinsätzen. Die traumatisierende Angst um ihr Leben und die frühere Erziehung, über Frauen bestimmen zu dürfen, hat unsere Väter und Großväter in der Regel ihre Kriegs-Vergewaltigungen als „normal“ empfinden lassen. Auch die Wehrmachtsausstellung hat dies verdeutlicht. Die heimlich gehaltenen Vergewaltigungen gehört(t)en zum Kriegsalltag. Im Zweiten Weltkrieg standen Soldaten meist unter Drogen (Amphetamine), um rücksichtsloser kämpfen zu können; durch diese Drogen wurden sie aber auch sexuell rücksichtsloser. Viele Frauen mit vaterlosen Kindern mussten sich in der Nachkriegszeit bestmöglich verkaufen, entweder in der „bestmöglichen Ehe“ oder in Arbeiten mit sexistischer Ausbeutung. Oft ließen sie ihre Kinder von den verbliebenen traumatisierten Männern schlagen - wenn sie es nicht selbst taten.

Mit dieser sozial anerkannten patriarchalen Gewalt der Nachkriegszeit ist es leicht nachvollziehbar, warum so viele junge Frauen dann in den 1980er Jahren - im Widerstand gegen Atomwaffen  - auch gleichzeitig aus dem Patriarchat ausbrechen wollten und mussten!

Der Staat als Zuhälter
Geschätzte 400.000 Prostituierte gibt es in Deutschland, wovon etwa die Hälfte Zwangsprostituierte sind, darunter sehr viele aus Osteuropa. Zirka 1,2 Millionen Freier nehmen ihre Dienste täglich in Anspruch. Seit 2001/2002 gibt es in Deutschland das sogenannte liberalisierte Prostitutionsgesetz, mit dem sogenannten Entkriminalisierungsprinzip. Ich vergleiche es ein wenig mit der Geschlechter-Gleichstellung „dem Einzug von Frauen in die Bundeswehr“, die mit unserer friedenspolitischen Forderung nach Abschaffung von Krieg und Militär gar nichts gemein hat. Zumal sind Frauen gerade beim Militär verstärkt sexuellen Übergriffen durch ihre männlichen Kampf“genossen“ ausgesetzt!

Durch das Prostitutionsgesetz sind Prostituierte jetzt die einzigen freiberuflich Tätigen, die dafür mit Pauschalbeträgen in Vorkasse „gebeten“ werden und anschließend eine Steuerabrechnung machen müssen. Über die Gewinne der Sexindustrie existieren keine offiziellen Zahlen. Der Bundesrechnungshof beziffert den Jahresumsatz im Prostitutionsgewerbe auf 15 Milliarden Euro, das heißt, er könnte allein aus den Vorauszahlungen eine Milliarde Euro pro Jahr einnehmen. Während den Prostituierten hohe „Schwarz“geld-Einnahmen unterstellt werden, zeigen aktuelle Recherchen (zum Beispiel „Bordell Deutschland“) eine ganz andere Realität. Immer mehr Bordelle entstehen, weil die kapitalistischer Leistungsgesellschaft die Menschen immer mehr in die Isolation treibt. Das Einkommen der Männer reicht nicht aus, um eine Familie zu ernähren, und Frauen können in der Regel kein ausreichend hohes Gehalt erzielen, um unabhängig zu leben. Die ökonomische Ausbeutung nimmt groteske Formen an, und trotzdem glauben viele Menschen, die noch finanziell gut dastehen, dass es fast allen anderen auch so geht bzw. gehen könnte.


Schwedisches Modell
Anders ist es in Schweden. Dort ist die Prostitution seit 1998 nicht mehr legal, und sie wird als „Gewalt gegen Frauen“ definiert. Hier wird nicht der Verkauf von Sex bestraft, sondern die Freier, Zuhälter und andere ProstitutionshelferInnen werden kriminalisiert. Ziel ist die Abschaffung der Prostitution. Es wird geschätzt, dass die Prostitution seitdem auf ein Drittel (jetzt 1000 Menschen) gesunken ist. Frankreich (20.000 Prostituierte) hat sich dem „Schwedischen Modell“ 2016 angeschlossen. Ebenso Norwegen und Island. Auch das Europaparlament stimmte 2014 für ein Komplett-Verbot der Prostitution. Die Schweiz und Holland folgten hingegen eher „unserem“ Entkriminalisierungsprinzip. KritikerInnen dieses Prostitutionsverbotes benennen die negativen Auswirkungen. Die Prostitution ist nicht zurückgegangen, sie hat sich nur verlagert, unter anderem nach Deutschland. Der deutsche liberalisierte Sexkauf führt/e zu den vielen Flatrate-Bordellen „all you can fuck“ an unseren Landesgrenzen, da viele Freier ihre Sexsucht jetzt in Deutschland ausleben – und dies zu Dumpingpreisen!

Aber auch das Schwedische Modell müsste ausgebaut werden: Zum Prostitutionsverbot gehört eigentlich unabdingbar eine Regelung, Frauen (sowie alle anderen Menschen) die finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen, und Suchtkranken therapeutische Hilfe anzubieten, anstatt reine Bestrafung. Freier und Zuhälter z.B. könnten die Wahl kriegen, zwischen Strafe und Therapie zu wählen. Die Geldeinnahmen könnten direkt hierfür und für Ausbildungen in therapeutischen Berufszweigen genutzt werden. Hier bei uns sollten als Erstes die Zwangsprostituierten befreit werden. Es dürfte keine Abschiebungen in ihr Herkunftsland geben, sondern sie bräuchten  geschützte Räume und Traumatherapien. Statt das unsere Regierung hierfür Verantwortung übernimmt, wird öffentlichkeitswirksam das Bild hoher westlicher Frauenwerte lanciert. Ein Bild, welches immer wieder als Rechtfertigung für völkerrechtswidriges Herbeibomben von Frauenrechten, gerade gegen islamische Länder, herhalten muss!


Kinderhandel
Im Dokumentationsfilm „Kinderhandel - Mitten in Europa“ (Arte, Februar 2018) wurde geschätzt, dass ein Zehntel der weltweit gehandelten Kinder aus der Ukraine kommen. Hiervon verschwinden viele bei uns in Deutschland. Heidi Meinzolt, Europaabgeordnete der Women International League for Peace and Freedom (WILPF), berichtete 2018 auf der Münchner Friedenskonferenz, dass viele ukrainische Frauen aus Armutsgründen ihre Kinder im Heimatort zurücklassen, während sie eine Pflegestelle in Polen annehmen. Der Hintergrund: Viele polnische Frauen arbeiten in der häuslichen Altenpflege in Deutschland, sodass sie in Polen in den „care“-Berufen fehlen. Schlecht beaufsichtigte ukrainische Kinder sind dadurch eine leichte Beute für den internationalen Menschenhandel.

Kinder und Pornografie/Internetsucht
Seit ungefähr 2007 gibt es die Social-Media-Revolution. Seitdem sind Smartphones und Notebooks nicht mehr aus dem Alltag unserer Kinder wegzudenken. Bereits im frühpubertären Alter sind sie täglich mit Pornoseiten und sexistischen Werbungen konfrontiert. Dadurch werden früh neuronale Bahnen im Gehirn mit Inhalten belegt, die schwer wieder aufzulösen sind. Sexuelle Handlungen erzeugen Glücksgefühle, bei denen körpereigene Glückshormone freigesetzt werden, die im Gehirn die gleichen Areale aufleuchten lassen, wie es zum Beispiel bei LSD der Fall ist. Sexualisiertes Verhalten wird in Beziehungen weiter gegeben. Sogenannte Dating Apps zeigen den jungen Stadt-Menschen heute gleich eine große Anzahl an „geilen“ ZeitgenossInnen, deren Alltag ansonsten oft isoliert voneinander verläuft. Kaum noch bezahlbare Räume für persönliche soziale Begegnungen und ein Internet voll von Verschwörungstheorien führt sie immer weiter in die Isolation - und damit vermehrt in Suchtstrukturen – zum(Sex-)Konsum!

„Me Too“ & Gender-Debatte heute
Das Private ist nach wie vor politisch und umgekehrt
. Deshalb berichte ich hier von meinen persönlichen Erfahrungen in der Friedensbewegung. Ich nenne dabei aber – im Gegensatz zur „Me Too“ Bewegung - keine Namen. Und ich möchte meine Wahrnehmung auch nicht als Beschreibung der „Kaputtheit der Friedensbewegung“ verstanden wissen, sondern zum Nachdenken anregen. Ich bin der Meinung: Nach wie vor bestimmen Männer den politischen (End-) Diskurs von Konferenzen. Zum Beispiel kamen beim World Social Forum on Nuclear Issues Anfang November 2017 in Paris viele Frauen zu dem Ergebnis, dass viele Gebiete dieser Welt so stark radioaktiv verseucht sind, dass wir über alternative Entgiftungsmethoden informieren und diese Care-Arbeit mit organisieren müssen. Dieser ganzheitliche, frauenspezifische Widerstandsbereich wurde im Abschlussbericht mit keinem Wort erwähnt, weil der Abschlussbericht von älteren Herren verfasst wurde. Obwohl eine Gruppe Frauen sich aus Protest gegen das reine Männerpodium neben das Podium stellte, gab es die Aussage, sie hätten keine kompetente Frau für das Abschluss-Podium gefunden. Wichtige Gesundheitsthemen (Care-Arbeit) werden nach wie vor nicht als Widerstand betrachtet und Männer urteilen, welche Frauen kompetent seien.

Kampagnenarbeit
Politische Kampagnen haben zugespitzte Forderungen, d.h. in der Friedensbewegung, in der viel Kampagnenarbeit stattfindet, können aus Zeitmangel so gut wie keine Gender/Sexismus-Debatten geführt werden. Es wird sich auf die zu behandelnde Kampagnen- Zielsetzung konzentriert. Dafür kann aber eine gesellschaftlich größere Breite für unsere Ziele erreicht werden, wodurch wir - schrittweise - schneller erfolgreich sind. Wie fortschrittlich eine Kampagne bezüglich der Gender/Sexismus-Debatte ist, spiegelt sich immer wieder in den Positionen der Teilnehmenden im Kampagnenrat und sagt damit auch etwas über den Diskussionsstand der Herkunfts-Organisationen/Gruppen aus.

Frauenquote

Es gab von mir in meiner Organisationen (DFG-VK) im November 2016 einen Antrag zur Einführung der Frauenquote. Es waren die bekannten Männer, die, (zum Teil mit Beamtengehalt), zwar eine größere friedenspolitische Frauenarbeit wünschten, aber diese doch bitte nur im Ehrenamt! Ein Jüngerer argumentierte in Konkurrenz dazu, es sollte doch eher berücksichtigt werden, das jüngere Menschen eingestellt werden. Ich denke aber, ältere Frauen mit ihren Erfahrungen haben genauso ihren Wert und Platz! Einige Frauen, besonders wenn sie im Leben gut in Brot standen – egal ob durch ihren Ehemann oder durch ihre Selbstständigkeit oder spätere Rente – haben eine verinnerlichte Solidarität zu männlichen Kollegen, denen sie  bereitwillig zuarbeiten. Einige Männer fürchten in dieser existentiell schwierigen Zeit genauso um ihre Arbeit und fühlen sich in diesem Bereich durch Frauen bedroht. Der patriarchale Status Quo soll möglichst erhalten bleiben. Die Mehrheit der DFG-VK Delegierten stimmte auf dem Bundesausschuss im März 2017 für eine Arbeitsgruppe, die die Rahmenbedingungen zusätzlicher (Frauen-) Stellen für den kommenden Bundeskongress erarbeiten sollte. Dieses Vorhaben scheiterte bisher, weil keine/r sich wirklich in dieser Arbeitsgruppe engagiert. So wurden tatsächlich vom Verband Spenden für neue Stellen eingeworben und besetzt, aber ohne die beschlossene Arbeitsgruppe und damit ohne konkrete Rahmenbedingungen. Es ist aktuell nicht geklärt, wie mit der Frauenquoten-Frage grundsätzlich weiter umgegangen werden soll.


Mein Resümee zur Frauenquote: Unsere Strafverfolgungsbehörden könnten bessere Frauenquoten und gleiche Gehälter auf dem Arbeitsmarkt erzwingen, da diese ungleiche Behandlung unseren Gesetzen widerspricht, wollen es aber nicht. Wenn wir wirklich anwesende Männer bei der Kindererziehung dabei haben wollen, damit sich das patriarchale Rollenbild für zukünftige Generationen verändert (auch als Vorbildfunktion für unsere Kinder), dann muss die Frauenquote in der Friedensorganisationen eine Selbstverständlichkeit werden, d.h. die zu erarbeitenden Rahmenbedingungen dürfen nicht „ausgesessen“ werden!

Sexismus gegenüber Frauen
Schweigen tut weh! Deshalb möchte ich mich zu diesem Thema äußern. Als Frau in Heterobeziehungen habe ich immer mal wieder die Erfahrung gemacht, dass Männer ihren Porno-Konsum verheimlichen und verharmlosen. Immer offener und öfter bin ich damit konfrontiert, dass bei privaten Übernachtungen bei Männern in der Friedensbewegung Frauen-Nacktbilder – von „harmlos“ bis eher furchtbar – an der Wand hängen. Auch wird inhaltlich gern verteidigt, dass es Prostitution seit Gedenken gäbe. Selbst einige Friedensfrauen benennen unsolidarisch ihren Weltschwestern gegenüber, dass mehr Frauen vergewaltigt werden würden, wenn es keine Prostituierten gäbe. Krieg gibt es auch seit Gedenken und trotzdem fordern wir: Nie wieder Krieg! Heute stehen viele Männer und zum Teil auch Frauen wieder sehr offen zum Sexismus - wir sind so frei!


Marion Küpker ist seit 38 Jahren in sozialen Bewegungen aktiv, besonders in der Friedensbewegung. Im Auftrag der DFG-VK ist sie als „Internationale Koordinatorin gegen Atomwaffen“ aktiv. Sie ist aktives Mitglied im Internationalem Versöhnungsbund. Und sie ist ausgebildete EdxTM-Therapeutin. Der erste Teil dieses Beitrags erschien in Friedensforum 3/2018.